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30.05.2021
Barbara putzte für ihr Leben gern. Diese Zeit musste einfach sein, trotz oder vielleicht sogar weil sie alleinerziehend war, drei Kinder, und im Schichtdienst arbeitete. Die Putzerei war dagegen eine klare Sache, sie hatte einen Anfang und ein Ende. Am liebsten putzte sie die Fenster, vor allem diese Kunststoff-Fenster, die es in den Plattenbauten der DDR gab. Am Ende eines jeden Putzsamstags, wenn die Wohnung picobello war, stand Barbara in der Küche, mit einem Pott Kaffee in der einen und einer...
23.05.2021
Wolfgang liegt mit nacktem Oberkörper lang hingestreckt auf dem Sofa und schläft. Auf seinem Brustkorb hat sich die Katze zusammengerollt. Wolfgangs Mutter kommt ins Wohnzimmer, wirft einen Blick auf das friedliche Bild, die Katze wird wach, springt auf den Boden, und alle Friedlichkeit ist dahin. Denn an der Stelle, auf der eben noch das Tier gelegen hatte, prangt eine handtellergroße Rose. Eine mit Tinte und Nähnadel in die Haut geritzte blaue Rose.
23.05.2021
Manchmal fängt alles mit einem dringenden Wunsch an, dessen Ursprung ein Rätsel bleibt, der aber Weichen für ein ganzes Leben stellt: Martin Schneider, dessen Leben die Klassische Musik, die Oper und weithin alles Feingeistige war, wünschte sich mit sieben Jahren eine Geige. Seine Eltern, die Mutter Hausfrau, der Vater Buchhalter, erfüllten ihm diesen Wunsch, seinerzeit im sachsen-anhaltinischen Merseburg. Sein Kinderbett und die Zither der Mutter wurden dafür eingetauscht, und mit einem Brikett...
16.05.2021
Manchmal glich das Leben von Torsten Petrowitz einem Krimi, Abenteuer und Katastrophen kamen darin vor. Er war beliebt und auch ein Lebemann, er wollte der Welt zeigen, dass es ihm gut ging. Deshalb sollte alles glitzern, funkeln, die Einrichtung, sein Äußeres. Mit einem rosa Cadillac cruiste er durch Berlin. Am Ende allerdings ging ihm das Geld aus. Doch die Freunde blieben.
16.05.2021
Es war beschlossen, Heiner würde seine Eltern, seine zwei Schwestern, sein Heimatstädtchen verlassen und nach Marburg gehen. Die Germanistik zog ihn, was sicher auch mit seiner Deutschlehrerin zu tun hatte. Sie war noch jung und sehr attraktiv. Noch attraktiver war ihr Unterricht: Weg mit den vermoderten Methoden, sie schickte die Schüler ins Theater und ins Kino, betrieb mit ihnen Filmanalyse und Szenenkritik. Zu lesen gab sie ihnen Jean-Paul Sartre und Max Frisch. Heiner las und las und hörte zeitlebens...
02.05.2021
Ob er wohl Feinde habe, sinnierte Bernd Kopplow kurz vor seinem Tod. Es fiel ihm niemand ein, der so richtig gram mit ihm gewesen sein könnte. Obwohl, ganz ohne Missgunst kommt man nicht durchs Leben, zumal wenn man erfolgreich ist. Da war er sich mit Heidi, seiner Frau, einig. Aber so wie es Leute gibt, die den Streit suchen, gibt es Leute, die ihn einfach ausblenden, die auch der größte Streit kaum berührt. Bernd suchte Verständigung. Er ging Konflikten nicht aus dem Weg, aber er schürte sie nie.
02.05.2021
Im November 2003 gibt Klaus Wowereit der Zeitschrift „Focus Money“ ein Interview und sagt den Satz: „Berlin ist arm, aber sexy.“ Im Jahr darauf streicht der Senat die finanzielle Unterstützung für die „Berliner Symphoniker“. Das Orchester muss Insolvenz anmelden, spielt jedoch noch ein Abschiedskonzert im Konzerthaus am Gendarmenmarkt. Bevor es losgeht, tritt Alfred Christmann, Vorsitzender des Trägervereins „Berolina-Orchester e.V.“, auf die Bühne und verkündet: „Wann die Berliner Symphoniker aufhören,...
25.04.2021
Eine dicke schwarze Spinne lebte an der Decke seines Musikzimmers. Ab und an seilte sie sich herab, bis sie genau über dem E-Piano von Eberhard schwebte, regungslos, als ob sie ihm zusehen wollte, wie er auf die weißen und schwarzen Tasten drückte, die Kopfhörer über die Ohren geklemmt. Was er spielte, war nicht zu hören, weder für die Spinne noch für Eberhards Mitbewohner. Es war nur dieses stundenlange Klappern, mal langsam, dann wieder schnell, auch mitten in der Nacht. Klar durfte die Spinne...
25.04.2021
Sein Vater war ein harter Mann. Seine Mutter kaum weicher. Der Vater hatte in zwei Weltkriegen gedient, preußisch unbeirrt, zuletzt als Oberstabsarzt an der Ostfront, aber über die Gräuel dort sprach er nie. Lautstark hingegen schimpfte er über die jugendlichen Revoluzzer, in der Sorge, sein Sohn könnte sich ihnen anschließen. „Wir haben alles aufgebaut nach dem Krieg“, erinnerte er seinen Sohn stolz. „Ihr habt ja auch vorher alles kaputt gemacht“, gab der trotzig zurück.