Nachrufe
Es wurden 1104 Nachrufe gefunden
31.01.2021
Fahrrad? Wer fuhr damals, Anfang der 70er Jahre, ernsthaft Fahrrad? Vielleicht mal in den Wald oder an den See. Aber zur Arbeit oder in die Uni, gar jeden Tag? Das machten höchstens diese paar Verrückten. Die dann womöglich auch noch Rücksicht und Gleichberechtigung forderten.
24.01.2021
„Sind's die Augen, geh' zu Mampe, gieß' dir einen auf die Lampe, kannste allet doppelt sehn, brauchste nich' zu Ruhnke geh'n!“ So sagte man in Berlin, als der Optiker, der mit dem Spruch „Sind's die Augen, geh zu Ruhnke“ warb, noch nicht in einer dänischen Kette aufgegangen war, und in „Mampes Guter Stube“ am Ku'damm Literaten wie Joseph Roth einkehrten, der dort der Legende nach seinen „Radetzkymarsch“ vollendete. Ingeborgs Vater war Leitender Direktor bei der Firma, die den klebrigen, zur Hälfte...
24.01.2021
Es endet damit, dass 100 Menschen an einem kalten, nassen Januarabend auf dem Bürgersteig stehen und sich von Marco verabschieden. Es sind Nachbarn aus der Straße, Leute aus dem Neuköllner Kiez, der Späti-Besitzer. Sie können nicht fassen, dass Markus gestorben ist. Dieser schlaksige Kerl, 33 Jahre jung, mit den wuscheligen, schwarzen Haaren. Seit zwei, vielleicht drei Jahren lebte er auf der Herrfurthstraße, zuletzt in einem überdachten Eingang, eingewickelt in seinen Schlafsack, nur die Augen schauten...
17.01.2021
Die Glocke läutete, der Unterricht war zu Ende. Die Mädchen stürmten aus dem Gebäude der Höheren Töchterschule in Braunschweig. So viele Mädchen. Der junge Mann, Götz, der da lässig vor dem Eingang auf seinem Motorroller saß, hatte nur Augen für eine. „Luise war die Freundlichste und Hübscheste“, sagt er heute. Luise setzte sich hinter ihm auf den Roller, hielt sich an ihm fest, und ab ging es an den See. Abends in einen Jazz-Schuppen. Ganz in Schwarz, mit Rollkragenpulli, den Sartre in der Jackentasche.
17.01.2021
Er selber, stets im T-Shirt, trank nicht während der Arbeit, nur ab und an mal einen süßen Likör, etwas aus der Kategorie Baileys. Er rauchte nie, doch seine Stimme klang nach Tabak und Whisky und einem ganzen Leben hinterm Tresen. Dabei war es so gar nicht gewesen.
10.01.2021
Geht man es halbherzig an, ist mehr verdorben, als gefördert werden soll. Im Musikunterricht beispielsweise. Über Jahrzehnte entschied sich das Gros der Musiklehrer zwischen zwei Herangehensweisen, ihren Unterricht abzuhalten: Entweder wählten sie die Praxis, das heißt, sie sangen fast ausschließlich mit ihren Schülern. Oder sie entschieden sich, der Sache einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben und versuchten, Noten und Begriffe in die jungen Köpfe zu pressen. G-Dur und e-Moll, Adagio, Andante,...
03.01.2021
Ein halbes Jahr nach seiner Beerdigung will sie doch noch etwas sagen. Will sein Leben nachzeichnen und damit auch ihr eigenes, nach dieser Trauerfeier ohne Kerze, ohne Bild, Musik. Dass sie damals nicht aufgestanden ist und über den Mann gesprochen hat, der sie viele Jahre ihrer Kindheit und Jugend begleitet hatte, das wirft sie sich noch immer vor. Vielleicht verband die junge Frau eine Art Hassliebe zu ihrem Stiefvater, wobei sowohl Hass als auch Liebe als Begriffe schon zu groß scheinen. Eine...