Nachruf auf Torsten Petrowitz (* am 19. Mai 1945)
Manchmal glich das Leben von Torsten Petrowitz einem Krimi, Abenteuer und Katastrophen kamen darin vor. Er war beliebt und auch ein Lebemann, er wollte der Welt zeigen, dass es ihm gut ging. Deshalb sollte alles glitzern, funkeln, die Einrichtung, sein Äußeres. Mit einem rosa Cadillac cruiste er durch Berlin. Am Ende allerdings ging ihm das Geld aus. Doch die Freunde blieben.
Sie waren seine Familie, und alle zusammen lebten in einem Mietshaus in Reinickendorf. 1983 war er dort eingezogen. Wenn sie jetzt von ihm erzählen, klingt es, als sei ein ganz Naher verloren gegangen, einer von ihnen war auch mal mit ihm im Urlaub auf Kreta. Noch immer ringen sie mit Fassungslosigkeit, weil er nicht mehr da ist. Einer hat ihn tot vor seinem Bett gefunden; er schaute immer mal nach Torsten Petrowitz, denn der schien kränklich in den letzten Wochen, auch seltsam des Lebens überdrüssig, er trank zu viel und wäre nie zum Arzt gegangen. Keiner aus dem Haus kannte ihn so müde und so resigniert. Sein Schalk war verschwunden, kein Witz kam mehr über seine Lippen.
In Prag wurde Torsten Petrowitz geboren, mitten hinein in Schutt und Asche nach dem Krieg und ohne Vater, der war erschossen worden. Allein mit seiner Mutter ging es nach Berlin, vier kinderlose Tanten lebten dort, Mütterlichkeit gab's dennoch selten für den kleinen Sohn und Neffen. Unterernährung kam hinzu. Ein schwerer Start ins Leben und vielleicht der Grund für seine fortwährende Sehnsucht nach Leichtigkeit und Anerkennung.
Über Schule und Arbeit ist nicht viel bekannt, nur dies: In seinen Zwanzigern wollte er es allen zeigen und wurde Bodybuilder, so ein braungebrannter. Er war gerade mal 1,70 groß und fand immer, dass er ein Hänfling sei - deshalb das harte Training und der starke Wille zum Erfolg. Der dann auch kam. 1964 wurde er Jugendmeister, 1977 Deutscher Meister. Irgendwann eröffnete er ein Fitnessstudio. Das war in Hamburg, wo er ein paar Jahre lebte. Mit Arnold Schwarzenegger trainierte er zusammen, so hat er es erzählt. Jedenfalls existieren Fotos, die beiden Seite an Seite. Und dann, die Krönung allen Schindens: Torsten Petrowitz wurde Mister Germany.
Nach Hamburg trieb es ihn gen Holland, dort hatte er einen Freund. Beiden Geschlechtern gegenüber war er aufgeschlossen. Das Leben gestaltete sich mondän, das Paar betrieb zusammen eine Baufirma und einen Nachtclub. Doch dann die Katastrophe. Sein Partner wurde ermordet von Drogensüchtigen, bei sich zu Hause. Torsten Petrowitz stand anfangs selbst unter Mordverdacht. Die Polizei in Holland sei brutal gewesen, erzählte er später, nackt musste er in seiner Zelle sitzen.
Doch dann Entlassung, Freiheit, Weitergehen, mit all der Trauer im Gepäck in Richtung USA. Dort fand er eine neue Liebe, Louis Ray jr., ein Vietnam-Veteran. Die beiden lebten in New Jersey und kamen Anfang der 80er nach Berlin. Sie betrieben einen Imbiss in ihrem Kiez und halfen der „Schrippenmutti“ Inge Schulze nachts beim Ausfahren ihrer belegten Brötchen. Manchmal lud Torsten Petrowitz ein paar Behinderte aus dem Heim gegenüber in seinen Imbiss ein. Zu Weihnachten kam es vor, dass er sie bei sich zu Hause bekochte. Als sein Partner krank wurde, pflegte er ihn, fuhr mit ihm zur Dialyse, war stets um ihn herum. Das war beeindruckend, sagen die Nachbarn. Auch für seine Mutter war er da, obwohl beide alles andere als innig waren. Als ihre Demenz fortschritt und ihm die Kraft ausging, zog sie in ein Altenheim.
Die einschneidende Zäsur war der Tod seines Freundes vor vier Jahren. Das hat er nicht verkraftet, sagen die Nachbarn, das war der Anfang vom Ende. Oft habe der Zurückgebliebene allein im Wohnzimmer gesessen vorm Bild des Freundes. Was sollte er denn jetzt allein in seiner Höhle? Und immer wieder hörte er Foreigner: „I want to know what love is“. Das hatten sie auf der Beerdigung gespielt, für seinen Liebsten. Zu dem er jetzt auch ins Grab wollte.
Und nun wissen die Freunde nicht, ob oder wo er überhaupt bestattet ist, denn niemand hat sie informiert. Sie sind ja nicht Familie, auch wenn sie es im Grunde waren. „Wir konnten nicht mal Abschied nehmen“, sagen sie, „nicht mal ein Blümchen auf sein Grab legen.“ Die Wohnung von Torsten Petrowitz ist seit sechs Monaten versiegelt. Judka Strittmatter
Sie waren seine Familie, und alle zusammen lebten in einem Mietshaus in Reinickendorf. 1983 war er dort eingezogen. Wenn sie jetzt von ihm erzählen, klingt es, als sei ein ganz Naher verloren gegangen, einer von ihnen war auch mal mit ihm im Urlaub auf Kreta. Noch immer ringen sie mit Fassungslosigkeit, weil er nicht mehr da ist. Einer hat ihn tot vor seinem Bett gefunden; er schaute immer mal nach Torsten Petrowitz, denn der schien kränklich in den letzten Wochen, auch seltsam des Lebens überdrüssig, er trank zu viel und wäre nie zum Arzt gegangen. Keiner aus dem Haus kannte ihn so müde und so resigniert. Sein Schalk war verschwunden, kein Witz kam mehr über seine Lippen.
In Prag wurde Torsten Petrowitz geboren, mitten hinein in Schutt und Asche nach dem Krieg und ohne Vater, der war erschossen worden. Allein mit seiner Mutter ging es nach Berlin, vier kinderlose Tanten lebten dort, Mütterlichkeit gab's dennoch selten für den kleinen Sohn und Neffen. Unterernährung kam hinzu. Ein schwerer Start ins Leben und vielleicht der Grund für seine fortwährende Sehnsucht nach Leichtigkeit und Anerkennung.
Über Schule und Arbeit ist nicht viel bekannt, nur dies: In seinen Zwanzigern wollte er es allen zeigen und wurde Bodybuilder, so ein braungebrannter. Er war gerade mal 1,70 groß und fand immer, dass er ein Hänfling sei - deshalb das harte Training und der starke Wille zum Erfolg. Der dann auch kam. 1964 wurde er Jugendmeister, 1977 Deutscher Meister. Irgendwann eröffnete er ein Fitnessstudio. Das war in Hamburg, wo er ein paar Jahre lebte. Mit Arnold Schwarzenegger trainierte er zusammen, so hat er es erzählt. Jedenfalls existieren Fotos, die beiden Seite an Seite. Und dann, die Krönung allen Schindens: Torsten Petrowitz wurde Mister Germany.
Nach Hamburg trieb es ihn gen Holland, dort hatte er einen Freund. Beiden Geschlechtern gegenüber war er aufgeschlossen. Das Leben gestaltete sich mondän, das Paar betrieb zusammen eine Baufirma und einen Nachtclub. Doch dann die Katastrophe. Sein Partner wurde ermordet von Drogensüchtigen, bei sich zu Hause. Torsten Petrowitz stand anfangs selbst unter Mordverdacht. Die Polizei in Holland sei brutal gewesen, erzählte er später, nackt musste er in seiner Zelle sitzen.
Doch dann Entlassung, Freiheit, Weitergehen, mit all der Trauer im Gepäck in Richtung USA. Dort fand er eine neue Liebe, Louis Ray jr., ein Vietnam-Veteran. Die beiden lebten in New Jersey und kamen Anfang der 80er nach Berlin. Sie betrieben einen Imbiss in ihrem Kiez und halfen der „Schrippenmutti“ Inge Schulze nachts beim Ausfahren ihrer belegten Brötchen. Manchmal lud Torsten Petrowitz ein paar Behinderte aus dem Heim gegenüber in seinen Imbiss ein. Zu Weihnachten kam es vor, dass er sie bei sich zu Hause bekochte. Als sein Partner krank wurde, pflegte er ihn, fuhr mit ihm zur Dialyse, war stets um ihn herum. Das war beeindruckend, sagen die Nachbarn. Auch für seine Mutter war er da, obwohl beide alles andere als innig waren. Als ihre Demenz fortschritt und ihm die Kraft ausging, zog sie in ein Altenheim.
Die einschneidende Zäsur war der Tod seines Freundes vor vier Jahren. Das hat er nicht verkraftet, sagen die Nachbarn, das war der Anfang vom Ende. Oft habe der Zurückgebliebene allein im Wohnzimmer gesessen vorm Bild des Freundes. Was sollte er denn jetzt allein in seiner Höhle? Und immer wieder hörte er Foreigner: „I want to know what love is“. Das hatten sie auf der Beerdigung gespielt, für seinen Liebsten. Zu dem er jetzt auch ins Grab wollte.
Und nun wissen die Freunde nicht, ob oder wo er überhaupt bestattet ist, denn niemand hat sie informiert. Sie sind ja nicht Familie, auch wenn sie es im Grunde waren. „Wir konnten nicht mal Abschied nehmen“, sagen sie, „nicht mal ein Blümchen auf sein Grab legen.“ Die Wohnung von Torsten Petrowitz ist seit sechs Monaten versiegelt. Judka Strittmatter