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07.06.2020
Im Berliner Nikolaiviertel, genauer in der Poststraße 23, steht eins der wenigen alten Bürgerhäuser, die den Krieg und die Stadterneuerung unbeschadet überstanden haben. Die Familie Knoblauch wohnte einst darin, 170 Jahre war das Haus in ihrem Besitz, 1929 verkauften sie es an die Stadt, die daraus zu Ost-Berliner Zeiten zunächst eine Gaststätte und dann ein Museum machte, das „Museum Knoblauchhaus“. Der gute Geist dieses Museums war viele Jahre Hanne Bolz, wobei sie, dem Äußeren nach, alles andere...
07.06.2020
Einmal musste er schon auf die Intensivstation. Sie versetzten ihn ins künstliche Koma, und alles nur, weil er eine leichte Grippe verschleppt hatte. Weil er dachte, dass er es mit Paracetamol schon hinkriegen würde. Es piepste, es summte, all die Geräte, die seinen Körper überwachten, und all die Schläuche, die die Flüssigkeiten in seinen Körper hinein- und wieder hinausleiteten. Heftig und unheimlich nah am Tod war das, erinnert sich seine Frau. Eine Schwester sagte hinterher, dass sie nicht geglaubt...
31.05.2020
Die Dahlemer Damen zeigen sich degoutiert. Prinzipiell mögen sie ja das Künstlerische. Immerhin öffnen sie ihre Villen, um Künstlern Ausstellungsräume zu verschaffen. Sie haben einen Sinn fürs Schöne. Aber das hier? Beim besten Willen nicht! Diese beiden prallen Frauen, halbe Kinder noch, die jungen Brüste fast entblößt, die viel zu hohen Absätze, der herausfordernde und zugleich bittere Blick, der Unrat zu ihren Füßen, darunter der Titel: „Babystrich“. Oder jenes Bild: Zwei Männer, eine Frau, schon...
31.05.2020
Die wohl schwerste Entscheidung seines Lebens traf er im Alter von neun Jahren. Ende Januar 1945 hatte die Rote Armee Königsberg fast ganz umschlossen, jetzt saßen die Königsberger in der Falle, auch die Familie des Pfarrers Helmut Hildebrandt von der Ponarther Kirche. Fliehen, jetzt noch, oder tapfer auf das Ende warten? Über Fragen wie diese können, dürfen nur Männer entscheiden. Aber der Pfarrer war an der Front. Also blickte seine Frau auf ihren Sohn Herbert, das älteste der fünf Kinder, als...
24.05.2020
In ihrem Bauch wuchs ein Leben heran. Klein und winzig und mit einem Herz, das schlägt. Utta aber konnte sich nicht freuen. Allein, wie sie war, voll Angst und Zweifel. Würde sie eine gute Mutter sein können? Dabei war es so schön gewesen, die Begegnung mit dem wilden Studenten. Natürlich war sie in ihn verliebt. Verliebt war sie aber auch in diese aufregende, neue Welt: Kommunen, Sit-ins, Partys. 1965, 1966, 1967. Utta fiel da ein bisschen raus, war gar keine Studentin, sondern Erzieherin mit fester...
17.05.2020
Sie war sich nicht sicher. Meinte es dieser Günter wirklich ernst mit ihr, oder war er wie die anderen, die nur mal probieren wollten? Außerdem: Ursula verkaufte in der Bäckerei Hillmann; Günter war dort Bäcker, Fahrer und Helfer, und wo kommt man denn als Familie hin, wenn beide in aller Herrgottsfrühe aufstehen müssen?...
17.05.2020
„Wir Jungen schreiten gläubig der Sonne zugewandt, / Wir sind ein heil'ger Frühling, / Ins deutsche Land.“ 90 Jahre alt ist diese Frau und sitzt in ihrer Wohnung in Berlin-Charlottenburg und singt ein Nazilied. Den Kopf hoch erhoben, die Zigarettenspitze auch. Nicht weil sie Nazi ist. Sondern weil sie Nazi war, und darüber niemals hinweggekommen ist.
10.05.2020
Was blieb, war die Erinnerung an die Kälte. Daran, wie man ihre Zelle flutete, sie auf einer schmalen Planke kauernd einschlief und vom Sturz ins eisige Wasser geweckt wurde. Daran, wie sie den Sommerrock auch im Winter tragen musste bei den ewigen Runden im Innenhof. Wenn sie ihn wusch, musste sie nackt warten, bis er getrocknet war. Daran, wie sie im feuchten Bunker landete, weil bei den Verhören nichts herausgekommen war, wie sie sich dort auf einen ihrer Schuhe setzte, die Füße auf dem anderen.
Zwei...
Zwei...
10.05.2020
In Andreas Dresens Film „Gundermann“ wird eine alte Baggerfahrerin gefragt, wie lange sie denn schon auf diesem Bagger sitze, und sie antwortet wahrheitsgemäß: „Na, schon immer!“ Präziser kann man das manchmal nicht sagen: Wolfgang Utzt war schon immer am „Deutschen Theater“. Wenn man von einer Seele dieser Einrichtung sprechen dürfte, so ist sie gewiss auch Utzt-förmig. Wolfgang Utzt war Maskenbildner.