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Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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Aber die Dinge lagen nun mal so, er war dem Recht verpflichtet, niemandem sonst

Nachruf auf Hans-Günther Koehn (Geb. 1937)
Das erhofft man sich von einem Richter, Unparteilichkeit. Hans-Günther Koehn war unparteilich, auch wenn das mal schwerfiel. Sein Sohn litt ein wenig darunter. Als er den Vater bei einem Streit mit einem Mitschüler um Hilfe bat, nahm der sich alle beide vor und kam zu einem abwägenden Urteil. Der Sohn aber wollte nicht den Richter bemühen, sondern den Vater, und der sollte für ihn Partei ergreifen, wie Väter das eben tun.
Hans-Günther Koehns abwägende Art wusste man zu schätzen, nicht nur im Gerichtssaal, auch im Stadtrat der rabenschwarzen Stadt Sigmaringen. Sein Wort hatte Gewicht, obwohl er in der SPD war. Man unterstützte ihn in seinem Engagement für ein Jugendhaus, man würdigte seinen Einsatz für Kunst und Kultur in der schwäbischen Provinz. So hielt er es viel länger auf der Schwäbischen Alb aus, als er es bei Dienstantritt für möglich gehalten hätte.
Fort ging er 1990, im Jahr der Wiedervereinigung. In den neuen Bundesländern waren erfahrene Juristen gefragt. Viele kamen, die sich einen Karrieresprung erhofften und die anmaßend und peinlich auftraten. Ihn hingegen reizte die Aussicht, Neues zu erfahren, den Horizont zu erweitern. Dafür mochten ihn seine Mitarbeiter, und an der Wertschätzung der Einheimischen war ihm gelegen. Als Vorgesetzter mit Personalverantwortung war er auch für Gratifikationen zuständig - und die erhielten normalerweise die ohnehin gut dotierten Kollegen im Führungsstab. Er hingegen hatte auch die Peripherie im Blick, seinen Chauffeur etwa, der einiges auszuhalten hatte angesichts der schwer kalkulierbaren Dienstfahrten.
Hans-Günther Koehn arbeitete als Richter in Dresden, Bautzen und Chemnitz, um schließlich noch einen ganz unbeabsichtigten Schritt auf der Karriereleiter zu machen. Die Landesregierung berief ihn nach Leipzig zum Leiter des sächsischen Rechnungshofes und ging wohl davon aus, dass sich der Berufene zu dankbarer Loyalität verpflichtet fühlen würde. Er sah das anders: Seine Loyalität galt nicht denen, die das Geld ausgaben, das er zu überwachen hatte, sondern jenen, die es bezahlten, dem Volk. Sucht man im Internet nach Spuren, die er hinterlassen hat, so stößt man schnell auf seine Kritik an den geringen Mietzahlungen des Ministerpräsidenten Biedenkopf. Den Sturz des Mannes zu bewirken, der ihn berufen hatte, bereitete ihm ein ungutes Gefühl. Aber die Dinge lagen nun mal so, er war dem Recht verpflichtet, niemandem sonst.
Neben dem Beruf galt sein Interesse schon lange dem Theater. Er spielte in freien Gruppen, nahm Schauspielunterricht, inszenierte Stücke, er reiste durchs Land, um gute Aufführungen zu sehen, und weil er im Französischen so zu Hause war wie im Deutschen, besuchte er immer wieder die Bühnen von Paris. Dem verrückten Spiel des Lebens das reflektierte, dramaturgisch durchkomponierte Geschehen auf der Bühne entgegenzusetzen, darum ging es ihm. Die Welt erklärt sich nicht selbst, sie will durchdrungen, nachgespielt, geordnet werden. So beschränkten sich die Theaterabende für ihn nicht auf die zwei, drei Stunden auf der Bühne oder im Parkett, sondern sie mündeten stets in Gespräche auf dem Heimweg, in der Kneipe, zu Hause und in weiteres, langes Nachdenken.
Nach der Pensionierung zog er mit seiner Frau nach Berlin, in die Stadt, in der er zur Welt gekommen war. Endlich hatte er die Zeit, sich so ausführlich mit dem Theater zu befassen, wie es nötig war. Sein Leben blieb ausgefüllt auch nach dem Tod seiner Frau. Alles schien so geregelt, dass es nichts zu wünschen gab. Da begegnete ihm im Theatersaal, wo sonst, Margarete, die Freundin einer Freundin. Schnell war klar, dass sich hier zwei gefunden hatten, die füreinander bestimmt waren. Drei wunderbare Jahre waren ihnen geschenkt, Pläne gab es für weit mehr. Erst mal eine Reise nach Albanien, im Herbst dann nach Dubai und Abu Dhabi.
Die Reisen mussten storniert werden. Ohne jede Vorwarnung starb Hans-Günther Koehn an einem Schlaganfall. Jörg Machel
Neuer St. Jacobi-Friedhof an der Hermannstraße in Berlin-Neukölln. Foto: Doris Spiekermann-Klaas