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Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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Jeder Geburtstag: ein Hoch auf die Freundschaft

Nachruf auf Ullrich Motz (Geb. 1948)
Die Höhepunkte der Jahre mit Ullrich waren seine Geburtstage. Die feierte er jedes Jahr groß. Besuch im Kolbe-Museum, danach Kaffee und Kuchen auf der Terrasse des Café K. Ein Stadtausflug nach Dessau mit Radtour und Bauhaus-Besuch. Einmal mietete er einen Reisebus und fuhr mit seinen Gästen in den Pückler-Park Muskau an der polnischen Grenze, wo sie eine Tour mit gemieteten Rädern machten. Fast wie Hochzeiten seien die Feiern gewesen, zu denen er jedes Jahr im Sommer seine Freunde zusammenbrachte, erinnert sich einer.
Am 4. Juli 1948 wird Ullrich in der Nähe von Essen geboren, sein „Independence Day“. Die Kindheit verbringt er in einem Haus am See mit zwei Brüdern. Er macht Abitur über den zweiten Bildungsweg und studiert Grundschullehramt.
Anfang der Siebziger kommt Ullrich nach Berlin und arbeitet als Lehrer. Er ist verheiratet in dieser Zeit, aber als die Freunde ihn später kennenlernen, ist das schon vorbei und er erzählt darüber nicht viel. Auch eine zweite Beziehung endet, bevor viele von ihnen Ulli kennenlernen.
Allein ist er trotzdem nie. Er stellt sich seine Familie her. „Ulli war begnadet im Aufbauen von Netzwerken, die nur durch ihn zusammenkamen“, sagt eine Freundin. Zur Tennisrunde trifft er sich über 25 Jahre lang jeden Sonntag mit drei Freunden. Er ist zwar mit Abstand der Unbegabteste, aber auch der, der am meisten Spaß daran hat. Die anderen ermahnen ihn regelmäßig, dass sie zum Spielen und nicht zum Reden hier sind.
Weil er die Verbindung mit Menschen auch beruflich sucht, entscheidet Ulli sich mit 28, Psychologie zu studieren und macht dann eine Ausbildung zum Familientherapeuten und Psychoanalytiker.
Mit Freunden aus dieser Ausbildung gründet er eine Psychoanalytiker-Grup- pe, die sich zu Fortbildungen trifft. Er schreibt dafür immer das Programm, archiviert Fotos und Erinnerungen.
Seine Freunde erzählen, wie anteilnehmend, humorvoll und großzügig er war, bei Feiern ausgelassen werden konnte, Itzi Bitzi, Teenie Weenie, Honolulu Strand Bikini - und wie er alte deutsche Schlager sang, alle Strophen auswendig.
Von einem, der ausgefallene Geburtstagsgeschenke machte, eine Freundin zu einem Basketballspiel in der O2- Arena einlud, obwohl keiner von ihnen je zuvor bei einem gewesen war. Einfach, um mal zu sehen, wie das so ist.
Schöne Erinnerungen schaffen - vielleicht geht es Ulli genau darum. Vielleicht plant er deshalb seine Geburtstage wie Hochzeitsfeiern. Weil er dort wie auf einer Hochzeit Beziehung feiert, nur eben die zu seinen Freunden.
Am 25. Februar 2015 informiert Ullrich Motz seine Freunde in einer Rundmail, dass er krank ist: „Vielleicht habt Ihr schon gehört, dass es mich schlimm erwischt hat. Obwohl ich regelmäßig zur Darmvorsorge gegangen bin, hat sich unerkannt ein Darmkrebs gebildet.“ Er spricht in der Mail jeden Freund einzeln an.
Er zieht sich nach seiner Diagnose nicht zurück. Im Gegenteil: Er intensiviert und vertieft seine Freundschaften. Noch einmal fährt er mit zwei Freunden in den Urlaub nach Amsterdam, feiert seinen 67. Geburtstag bei Käse und Wein in einer Vinothek. Regelmäßig schreibt er allen, wie es um ihn steht, schickt Befunde und Ergebnisse von Arztgesprächen.
Drei Wochen vor seinem Tod, nach einem MRT, das endgültig klarmacht, dass es zu Ende geht, ruft Ullrich seine Freunde zu sich und spricht mit ihnen über seine Beerdigung. Sagt ihnen, dass er auf dem Friedhof Heerstraße begraben werden wolle, wo auch Loriot und Joachim Ringelnatz liegen. Trauerfeier ohne Pfarrer, stattdessen sollen seine Freunde sprechen, über ihn, und was sie gemeinsam erlebt haben. Auch die Musik sucht er aus: „Sitting on the Dock of a Bay“ von Otis Redding und „Perfect Day“ von Lou Reed. Seine Freunde erfüllen ihm den Wunsch, obwohl einige finden, dass sie etwas zu fröhlich sind für eine Beerdigung. Mehr als hundert Gäste kommen zur Aussegnung. Danach treffen sie sich im Café K neben dem Kolbe-Museum, feiern ein letztes Mal Ullrichs Leben. Noch einmal ein Hoch auf die Freundschaft, ein letztes Mal. Johannes Laubmeier