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Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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Von Schönefeld aus steigt die Cessna in den Himmel, landet auf Usedom

Nachruf auf Fabian Roecker (Geb. 1981)
Hinnerk hockt über seiner Bachelor-Arbeit, schlägt früh am Morgen die Bücher auf, schließt sie erst spät am Abend. Manchmal läutet das Telefon: „Du musst mal raus, nur ein kleines Bier!“ Er lehnt ermattet ab. Wieder das Telefon: „Hier ist Fabi. Ich muss meine letzten Flugstunden nehmen. Los, wir fliegen an die Ostsee!“ Hinnerk zögert. Der Abgabetermin ist in wenigen Tagen. Trotzdem klappt er die Bücher zu. Von Schönefeld aus steigt die Cessna in den Himmel, landet auf der Insel Usedom. Die beiden gehen baden, essen Fisch und fliegen im Sonnenuntergang zurück nach Berlin.

„So war Fabian“, sagt Hinnerk. Stefan, ein anderer Freund, nickt: „Ja. Nie war er schlecht drauf, immer voller Lebenslust.“

Am 19. Dezember 2010 brach eine zweimotorige Maschine, aus Zagreb kommend, den Landeanflug auf den Flughafen St. Moritz ab, zog für einen zweiten Anflug eine Schleife, stürzte aus bisher nicht bekannten Gründen nahe einer Trafostation ab und beschädigte dabei eine Stromleitung. Die Maschine begann zu brennen. Passanten filmten das Feuer mit ihren Handys. In dem Flugzeug saßen der 48-jährige Pilot und sein Kopilot, Fabian.

„Wenn jemand stirbt“, sagen die Freunde, „fragt man immer: Warum? Bei Fabi fragen wir uns: Warum gerade jetzt? Gerade jetzt hatte sich alles in seinem Leben gefügt. ‚Ich bin angekommen’, das war so ein Satz von ihm. Er hatte seinen Traumberuf, auch seine Traumfrau, er wollte sie in diesem Jahr heiraten, sein ganzer Stolz war sein kleiner Sohn Bowdy.“

Fabian gehörte nicht zu denen, die als kleine Jungs auf die Frage, was sie einmal werden wollen, Feuerwehrmann, Polizist oder Pilot antworten. Zum ersten Mal hörten seine Freunde von seinem Wunsch in einer Sommernacht. „Wir saßen nach einem Grillabend im Swimmingpool, und Fabi begann zu erzählen.“

Aber eine Flugausbildung ist teuer. Fabians Eltern bürgten für einen Kredit. „Er ist vollkommen in der Ausbildung aufgegangen, hat endlich etwas richtig ernst genommen. Wenn wir ihn zum Fußball abholen wollten, winkte er immer ab.“ Obwohl er Fußball liebte, schon als Kind im SC Gatow im Tor stand oder stürmte oder rechts außen verteidigte. Sein Lieblingsverein war natürlich Hertha. „Nur nach Hause geh’n wir nicht“, sang er im Stadion, auch wenn Hertha stümperhaft spielte.

Außer Fußball spielte er Tennis. „Auf deinen Waden kann ganz Spandau stehen“, sagte ein Mitspieler, als Fabian dessen gut platzierten Rückhandball in schnellem Lauf aus der hintersten Ecke zurückschoss, für den Gegner unerreichbar.

Fabian wartete nicht auf ein schönes, erfülltes Leben, das sich vielleicht irgendwann einmal einstellen könnte. Er lebte jetzt. Wenn sein Flugzeug die Wolken durchbrach und er hinter ihnen nichts als Licht sah. Wenn er in der „Hafenbar“ mit seinen Geschwistern zu Roland Kaiser tanzte. Wenn er beim Puhdys-Konzert „Alt wie ein Baum“ mitsang. Wenn er sich nachts um drei mit zwei Freunden in den Keller zum Kickertisch schlich, seine Mutter wach wurde und seinen Bruder weckte: „Na los, steh auf, zu dritt können die Jungs doch nicht richtig spielen.“ Wenn seine Eltern den Freunden kurz vor seinem Geburtstag vorschlugen, die Feier abzusagen, um ihm dann aufzulauern und ihn jubelnd zu überraschen.

Mehr als 250 Menschen kommen am 30. Januar auf den Friedhof in Spandau. Sie legen einen Herthaschal, Tickets des letzten Auswärtsspiels, ein Miniaturflugzeug und einen Tennisball an Fabians Grab. Aus der kleinen Kapelle weht ein Lied zu ihnen herüber: „Nur nach Hause geh’n wir nicht“. Tatjana Wulfert