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Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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Es gibt nichts Schöneres als Filmemachen!

Nachruf auf Heinz Kaskeline (Geb. 1926)
Kurz nach seiner Geburt wurde die „Kaskeline-Film“ gegründet. Im Tempelhofer Familienhaus herrschte reges Treiben. Am Zeichentisch unterm Dach entwickelte Vater Wolfgang Figuren, Plots, Tricksequenzen und Filmmusiken, während sich unten in den Wohnräumen junge Schauspieler wie Heinz Rühmann, Marika Rökk und Willy Fritsch die Klinke in die Hand gaben. Der kleine Heinz Kaskeline war mittendrin. Am liebsten lag er hinter seinem Vater auf dem Sofa und sah dem Treiben zu.

Weil sein Vater keinen Nachweis der arischen Abstammung erbrachte und die Ufa verließ, um eine eigene Firma zu gründen, hängte man Heinz in der Schule ein Schild um: „Sohn eines Volksverräters“. Die Schmähungen der Mitschüler schmerzten, aber er wähnte sich auf der richtigen Seite. Sein Selbstbewusstsein wuchs. Drei Jahre lang wurde die Familie schikaniert, man ließ jedes einzelne Mitglied behördlich mit dem Zollstock vermessen, um die Abstammung zu klären. Bis die Verdienste des Vaters jenseits aller Rassefragen publik wurden und man ihn offiziell rehabilitierte. „Die deutsche Antwort auf Walt Disney“ lautete die Überschrift über einem Zeitungsartikel über ihn. Immerhin hieß es, dass „der Führer“ ein großer Liebhaber drolliger Zeichentrickfilme sei.

Das bewahrte den Sohn des Trickfilmers nicht vorm Krieg. Abgemagert, mit halb erfrorenen Füßen kam Heinz Kaskeline aus russischer Gefangenschaft und begann umgehend mit der Reparatur des Hauses. Nebenbei baute er Kachelöfen, zeichnete Karikaturen und machte mit seinem Bruder Fotos für die Zeitung. Auch die Trick- und Werbefilmabteilung des Familienunternehmens kam wieder in Schwung. Mitte der fünfziger Jahre arbeiteten 30 junge Zeichnerinnen in den neuen Produktionsräumen in der Schillerstraße.

In eine von ihnen, die jüngste, verguckte sich Heinz. Sie drehte sich vor dem Spiegel, tänzelte umher und merkte sich die Bewegungen ihrer Körperachse. Denn der Sarotti-Mohr wurde bei Kaskeline passend zur Musik animiert, und die Zeichnerinnen orientierten sich der Einfachheit halber an sich selbst. So kam es, dass der Mohr so anmutig weiblich tanzte.

Im eigenen Auftrag fertigten sie zusammen einen fantastischen Film, der den „Zauber im Zeichenfilm“ erklärte. Dem Vater missfiel so viel kreative, finanziell riskante Eigenständigkeit. Er schmiss den Sohn aus der Firma. Als der Film aber in Venedig einen Preis erhielt, wendete sich das Blatt. Der Vater kaufte sich einen weißen Smoking, nahm den Preis entgegen, und stellte den Sohn wieder an.

1962 übernahmen die Söhne die Firma und bauten die Produktion aus. Die junge Zeichnerin war inzwischen Heinz’ Frau und kümmerte sich um die zwei Kinder. Mit Dokumentarfilmen wie „Die Hugenotten in Berlin“ und „Ein böhmisches Dorf mitten in der Stadt“ versuchte Heinz Kaskeline das Bewusstsein der Berliner für ihre Geschichte zu wecken. Damals kam ihm die Stimmung gegenüber Fremden unangenehm misstrauisch vor.

Viel Geld war mit den engagierten Produktionen nicht zu verdienen. Auch das Werbegeschäft wurde schwieriger, immer mehr Agenturen drängten sich zwischen die Firma und die Auftraggeber. In Zeiten der Flaute war sich Heinz Kaskeline nicht zu schade, Berliner Fantasiebärchen und Schnittblumen an der Straße zu verkaufen. Seine Frau zog mit lithografierten Postkarten von Hotel zu Hotel und bot sie zum Verkauf. Hauptsache, es ging mit dem Film weiter.

Jede Produktion entstand gemeinsam: Planung, Recherche, Anträge, Dreh und Nachbearbeitung. Wenn nötig, griff Heinz Kaskeline zum Lötkolben und reparierte die sündhaft teuren Kameras. 1987 gründete er zusammen mit seiner Frau die „Kaskeline-Film Akademie“ und widmete sich der praktischen Wissensvermittlung. „Machen Sie lieber zunächst was Vernünftiges, gehen Sie bloß nicht gleich zum Film!“, begrüßte er einen seiner ersten Studenten. Aber eigentlich wusste er: Es gibt nichts Schöneres als Filmemachen!

Die Anzahl seiner Filme war ihm nie bewusst, aber zu jedem hätte er etwas erzählen können. Sie liegen in diversen privaten und öffentlichen Filmarchiven.

Ein Projekt schwebte ihm bis zum Schluss vor: irgendein Film über Kinder. In der Kita neben seinem Garten sah er, wie unvoreingenommen sie miteinander umgingen. Für ihn waren sie der Beweis eines gleichgestellten universalen Miteinanders. Aber nach drei Herzinfarkten hatte er nicht mehr die Kraft, das Projekt blieb unvollendet.

Ein Neffe erzählte auf der Trauerfeier: „Manchmal gingst du mit mir auf den kleinen Rummel an der Papestraße; dort zogst du zu meinem Erstaunen an der Losbude immer einen Gewinn.“ Stephan Reisner