Ronald Henning

Peng!

Eigentlich war die Explosion gar nicht so laut, dafür aber die Stichflamme und die Rauchwolke umso gewaltiger. Keiner von uns wird vergessen, wie der schwarze Fleck an die vier Meter hohe Decke des Chemie-Lehrsaals des Sophie-Charlotte-Gymnasiums gekommen ist. Ein Fleck den ich auch Jahre später, da war Herr Henning schon längst in Rente, und ich nur auf Besuch in der Schule, immer noch da war.

In solchen Momenten, also wenn etwas schief gegangen war oder andere Folgen hatte als nur die Gewünschten, sagte Herr Henning „Scheibenhonig“. Ein Begriff den wohl außer ihm nur Heinz Rühmann in dem Film „Der Pauker“ gebrauchte, der aber wunderbar die Heiterkeit und das im Grunde jung gebliebene schelmische Wesen von Herrn Henning zusammenfasste.

Noch heute steht er in seinem weißen Kittel vor meinem geistigen Auge. In der Brusttasche immer ein Periodensystem der Elemente (wir hatten nach ein paar Wochen auch alle eines in der Federmappe), vor ihm sein Ordner mit dem Unterrichtsmaterial und den Experimenten die uns die Chemie mit Freude nahebrachten.

Die eingeweihten wussten auch um sein Spickzettelmuseum, wo er besonders clevere Erfindungen der Schülerinnen und Schüler aufbewahrte. Eines Tages erwischte er auch einen von uns. Jürgen, den Nachnamen lassen wir hier aus Gründen des Datenschutzes einmal weg, hatte mit zwei Fäden und einem System aus Löchern in den Hosentaschen einen Spickzettel entwickelt den er aus dem Hosenschlitz ziehen konnte. Gegen Herrn Henning hatte sein System keine Chance.

Wer weiß, vielleicht ist der Schwarze Fleck heute immer noch an der Decke des Chemie-Saals in der Schule. Auf jeden Fall aber ist irgendwo der Gute Geist von Herrn Henning, der seine Schüler liebte und den viele seiner Schüler liebten, heute noch irgendwo im obersten Stock der Schule und lächelt von oben herab auf die Schülerinnen und Schüler.

Ruhe in Frieden lieber alter Lehrer!