Luigi Colani

* 02.08.1928 in Berlin-Friedenau
† 16.09.2019 in Karlsruhe

Angelegt am 17.09.2019
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Über den Trauerfall (24)

Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Luigi Colani, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.

Luigi Colani

17.09.2019 um 10:39 Uhr von Redaktion

Luigi Colani (* 2. August 1928 in Berlin-Friedenau, gebürtig Lutz Colani; † 16. September 2019 in Karlsruhe) war ein deutscher Designer.

 

Colani war bekannt für seine aerodynamischen, biomorphenFormen für Autos, Flugzeuge und viele weitere Gebrauchsgegenstände. Seine organische Formensprache bezeichnete er als Biodesign und definierte dies als eine „Humanisierung der Nahtstelle Mensch-Maschine“ durch die „Ergonomie und Kenntnis neuster Materialien“. Der universale Anspruch seiner 3D-Philosophiesollte zu einer Optimierung nahezu aller gestaltbaren Objekte führen. Kollegen und Journalisten hielten Colanis Gestaltungen für seiner Zeit weit voraus. Auch in Japan und China war Colani ein hochangesehener Designer.

Leben

17.09.2019 um 10:38 Uhr von Redaktion

Luigi Colani wurde 1928 als Sohn eines Schweizer (Bündner aus Madulain[) Filmarchitekten kurdischer Herkunft und einer Polin in Berlin-Friedenau geboren. Seine Mutter arbeitete als Souffleuse beim Theaterregisseur Max Reinhardt.Er wuchs in Berlin-Johannisthal auf, unmittelbar neben dem ersten deutschen Flughafen, dem Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof. Da ihn seine Eltern früh zur Kreativität erziehen wollten, gaben sie ihm kein Spielzeug, sondern richteten für ihn eine Bastelkammer ein, in der er sein Spielzeug selber bauen sollte. „Meine Eltern [...] bastelten mir vor. Sie waren beide sehr begabte Werker mit der Hand. Ich war das einzige Schulkind der Welt, das nach der Schule nach Hause gerannt ist, um mit denen zu basteln.“ Mit vier Jahren konnte der junge Colani schon löten und bastelte aus den verschiedenen Werkstoffen, ob nun Holz, Eisen, Gips oder Ton, seine Flugzeuge, Schiffe oder Autos. „Ich war mit fünf Jahren schon ein begnadeter kleiner Bildhauer.“ Noch während seiner Schulzeit hatte er „für die Frauen in der Umgebung [sowie der] Familie Schuhe gemacht und für sich selbst Kleidungsstücke umgeändert.“

 

Colani studierte 1946 Bildhauerei und Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin und brach das Studium ab, weil „mein Professor in der Bildhauerei mir nichts mehr beibringen“ konnte.Von 1949 bis 1952 studierte er Aerodynamik und Ultraleichtbauan der École polytechnique in Paris und danach Analytische Philosophie an der Pariser Sorbonne. 1953 arbeitete er für ein Jahr beim kalifornischen Flugzeughersteller Douglas Aircraft Company als Leiter der Materialforschung im Bereich New Materials. Ab 1954 gestaltete er in Frankreich Kunststoffkarosserien für die Autoindustrie (Simca) und setzte dies ab 1955 in Berlin fort. Bei der angesehenen Karosseriebau­firma Erdmann & Rossi in Berlin erlernte er von Grund auf das Handwerk des Automobilbauens. Nach Fiat/Rometsch (1954) folgten weitere Arbeiten für italienische Automobilfirmen wie Alfa Romeo und Lancia. 1957 fuhr sein Alfa Romeo als erster GT-Sportwagen der Welt unter zehn Minuten um die Nordschleife des Nürburgrings.In diesem Jahr benannte er sich in Luigi Colani um.

 

In den 1960er bis 1970er Jahren erweiterte er seine Designtätigkeit auf Möbel und Gebrauchsgegenstände. Er ließ sich im westfälischen Rheda-Wiedenbrück nieder, einem Zentrum der Möbelindustrie, und baute ein Designer-Team auf, das schließlich aus 30 Mitarbeitern bestand. Zunächst entwarf er ab 1965 Mobiliar für die Möbelhauskette Asko, dann für Cor, Fritz Hansen, Burkhard Lübke, Poggenpohl, Sulo (damals Suloplast) und dessen Markenprodukte „Caroline“.

Schloss Harkotten

17.09.2019 um 10:35 Uhr von Redaktion

Von 1972 bis 1981 hatte der mittlerweile vermögende Colani sein Designatelier auf Schloss Harkotten in Westfalen. Die Zeit der dortigen Designfactory wurde zur intensivsten Schaffensperiode von Colani. Hier bildete er große Teams mit jungen Designern, die gerade ihr Studium beendet hatten. Jede Woche kamen neue Praktikanten dazu, andere gingen und weitere kamen wieder zurück. Im Durchschnitt blieben die Mitarbeiter drei bis sechs Monate. Ebenso wollten auch Ingenieure aus der Flugzeugindustrie und anderen Industriezweigen ihr Wissen über ergonomische Formgestaltung erweitern. Insgesamt haben sich in Colanis Atelier mehrere tausend Mitarbeiter weitergebildet. In dieser Dekade nahmen Colani und seine Kollegen Aufträge aus allen Industrieländern, einschließlich der Sowjetunion, und aus allen Branchen an. „Harkotten wurde zu einer Art Wallfahrtsort“ für die Industrie.

 

Mit zunehmendem Erfolg wuchs auch ein Anteil der Auseinandersetzungen mit den Industriekunden, die es gewohnt waren, dass ihre Vorstellungen vom Aussehen eines bestimmten Gegenstands unmittelbar und reibungslos umgesetzt wurden. Colani lehnte diese Vorgaben ab und bestand auf seiner Schöpfungsfreiheit. Zugleich verzichtete er auf einen vermittelnden Umgangston und stieß zunehmend Kunden mit seiner konfrontativen Weise ab. „In manchen Fällen [habe ich] sicher [meine Wortwahl bereut], weil mir sehr oft Jobs durch die Lappen gegangen sind, da ich den Leuten die Wahrheit auf den Kopf zusagte. In einer Welt der Lüge ist es eine höchst gefährliche Sache, die Wahrheit zu sagen.“„Mit dieser Art des Auftretens hat er sich sehr geschadet und viele Feinde gemacht“, sagt Peter Weibel, Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM). Deshalb erfahre Colani hier auch nicht die Würdigung, die ihm eigentlich gebühre.

 

Die größten Probleme bereiteten ihm die leitenden Angestellten und Ingenieure der deutschen Automobilindustrie. Deren mangelnde Innovationsbereitschaft führte schließlich zu seiner Auswanderung nach Japan. „Doch weil ich Firmen wie Mercedes wegen ihrer rückständigen Formen immer wieder in den Arsch getreten habe, haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, Colani in Deutschland unmöglich zu machen. Und das haben sie auch geschafft. Es ist doch komisch, dass ich in meinem eigenen Land keinen Fuß auf den Boden bekomme und überall sonst auf der Welt eine Supertopfigur bin. Darum bin ich auch gegangen.“

Japan und China

17.09.2019 um 10:33 Uhr von Redaktion

Auf Einladung von fünf japanischen Unternehmen richtete er bereits 1973 ein Colani-Design-Center in Japan ein. Ab 1982 war er fünf Jahre lang in Japan als Chefdesigner für mehrere japanische Hersteller von technischen Gebrauchsgütern wie Canon, Sony und Mazda tätig . Hier arbeitete Colani zeitweise mit mehr als 300 Mitarbeitern an den unterschiedlichsten Objekten. Seitdem ist er in Japan als eine „absolute Design-Autorität“ angesehen.

 

Allgemein finde er in Asien, insbesondere in Japan, mehr Verständnis und Enthusiasmus. Dort gebe es eine tiefere Verbundenheit mit der Natur, und dadurch sei man seiner biomorphen Formensprache gegenüber weitaus offener als im Westen. Besonders beeindruckt habe ihn das japanische Konzept von kimochi, der universellen Energie ki in der menschlichen Psyche. Entgegen dem westlichen Primat der Rationalität lege man im Fernen Osten großen Wert darauf, dass alle Dinge mit Emotionen als Manifestation von ki gemacht werden, denn nur solche Objekte würden bleiben und überdauern.

 

1986 kehrte er wieder nach Europa zurück, dort war sein Standort ein Hangar in der Nähe der Schweizer Hauptstadt Bern. Hier entwickelte und bereitete er mit Unterstützung seines Freundes Jürg Bärtschi eine Serie von Hochgeschwindigkeits- und Niedrigkraftstoffverbrauch-Fahrzeugen vor, die er 1989 auf dem Salzsee in Utah testete.

 

Aufgrund einer Einladung des chinesischen Botschafters verlagerte sich seine Tätigkeit ab 1995 nach China, wo er zunächst an der Universität Tongji in Shanghai und später an weiteren Universitäten Professuren für Design übernahm. Auf der Insel Chong Mingh im Jangtsekiang-Delta nahe Shanghai, realisiert er seit 1995 sein „Lebenswerk und Vermächtnis“ die Eco-City (früher Bio-City), die in Form und Funktion dem menschlichen Körper nachempfunden ist: eine Wissenschaftsstadt für 50.000 Wissenschaftler, die einen auf dem Rücken liegenden menschlichen Körper darstellt und konzipiert ist als ein lebendiger Organismus mit „grüner Lunge“, einem Kraftzentrum in der Mitte und Verkehrswegen als Blutbahnen. Die Stadt werde die „Lebensbedingungen des 3. Jahrtausends definieren“, extrem energiesparend sein und keine fossile Energie verwenden. Das Projekt wurde vorübergehend zurückgestellt, da „die Chinesen dort alles verbaut hätten“.

 

2008 eröffnete er ein Design-Studio in Beihai (Guangxi), Süd-China, wo er sich an der Entwicklung von Windkraftwerken beteiligte. 2009 wurde die erste Windenergie-Anlage von Avantis präsentiert, dessen ovale Gondel Colani entwarf.

 

Am 9. Mai 2014 eröffnete er das Jiangnan Colani Design Institut in Changzhou bei Shanghai, an dem er sich mit zehn Millionen Euro beteiligte. Colani sieht das Institut als „Nukleus“ (Kern) für die Entwicklung des chinesischen Industriedesigns.

 

2018 arbeitete er in China an zwei Wohnwagentypen sowie an einem E-Auto, deren Produktion er diesmal selbst übernehmen wollte.

Ergonomie und Aerodynamik

17.09.2019 um 10:31 Uhr von Redaktion

Effektive und energieeffiziente Ergonomie muss nach Colani von rechten Winkeln und von geraden Kanten befreit sein. Mit einer kurvenförmigen Linienführung bildet er die evolutionär erprobten organischen Formen der Natur nach. „Der Mensch hat ja erst seit 200 Jahren Technik und die Natur löst seit Milliarden Jahren höchst raffiniert Probleme.“ Ein Beispiel für diesen Anspruch ist die Kugelküche „experiment 70“ (1970) für den deutschen Küchenmöbelhersteller Poggenpohl, die 1970 auf der internationalen Möbelmesse in Köln vorgestellt wurde. Auf einem Drehstuhl erreicht man in Griffweite alle Gerätschaften und Schrankfächer.

 

 

Ford Ka Colani, 1998

Zahlreiche seiner kleineren Gebrauchsgüter (Sanitärkeramik für Villeroy & Boch, Bad-Armaturen für Grohe, Fernseher,Computermäuse) wurden in Serie produziert und haben bei Liebhabern Verbreitung gefunden. Seine großen Projekte dagegen wie die aerodynamischen Entwürfe von Lkw u. a. für Larag, Daimler-Benz AG und Serien-Pkw wurden aus „praktischen Gründen“ nicht in Serien hergestellt. Der Treibstoffverbrauch seiner Modelle verringerte sich im Vergleich zu konventionell gebauten Fahrzeugen deutlich, da er im Fall der Lkw um 30 % niedriger lag[36] als bei den Serienfahrzeugen. Nach einer aerodynamischen Verbesserung der Karosserie von mehreren Serien-Pkw-Typen wie BMW 700 (1959), VW Polo (1976), Citroën 2CV (1981), Lada Gorbi (1987),Ford Ka Colani (1998)[39] erhöhte sich deren Geschwindigkeit bei zugleich geringerem Kraftstoffverbrauch.

 

Über die Anzahl seiner Entwürfe und seiner realisierten Produkte kursieren unterschiedliche Angaben. Die Zahlenangaben der Entwürfe erstrecken sich von 4000 (2018] über 5000 (2008)bis hin zu 20.000 (2009). Colani betonte mehrmals,  dass die meisten seiner Entwürfe, die er Kunden vorlegt, auch produziert werden, nämlich 70 %. Ein dpa-Artikel von 2018kippte dieses Verhältnis erstmals um, von 70 % Serienproduktionen in 70 % Ablehnungen, was nolens volens einer Verwechslung zugrunde liegt. Denn 2008 meinte er dazu, dass er mehr entwerfe als er Kunden anbiete: „Meine Archive sind so voll, ich könnte die gesamte europäische Industrie mit Dingen zuwerfen bis ins Jahr 2030.“[ Dieses Entwerfen aus eigener Initiative heraus und auf Vorrat bezeichnet er daher schon seit längerer Zeit als „Forschungsunternehmen“. „«Wir sind ein Forschungsunternehmen. Wir wollen Vorbilder geben.» Was er jetzt entwerfe, werde vielleicht in 10 oder 15 Jahren gebaut.“

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