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Gedenkkerze
Karin Stellmacher
Der Tod ist das Tor zum Licht am Ende eines mühsam gewordenen Weges
Gedenkkerze
Patric Tavanti
"Lerne alt zu werden mit einem jungen Herzen."
(J. W. von Goethe)
Meine Mutter liebte Gothe und so feierte sie ihren 65. Geburtstag im Goethe Jahr 1999 ganz besonders. Sie liebte Theater, Feste und Reisen. Aber auch die stillen Momente im Garten oder im Sessel, versunken in einem Buch. Mit ihrer jahrzehntelangen Teilnahme an der Internationalen Tagung für Kinder- und Jugendliteratur in Österreich konnte sie all das verbinden.
Sie liebte ihre Arbeit als Grundschullehrerin und wäre doch gerne zum Zirkus gegangen.
Sie liebte ihre Kinder und Enkelkinder und war immer für sie da. Sie liebte ihren Mann und blieb in guten wie in schweren, sehr schweren Zeiten an seiner Seite.
Sie war eine gute und treue Freundin. Sie liebte die Harmonie und konnte doch streiten, hatte einen klaren Standpunkt und Prinzipien, konnte aber auch verzeihen und vergessen.
Sie liebte ihren Garten und ferne Länder. War und blieb immer neugierig und wißbegierig.
Sie verlor bei aller Sorge und Last doch nie ihren Optimismus und ihre Zuversicht.
Sie lachte gern und brachte andere gerne zum Lachen.
Und sie spielte gerne Gift und Galle. Manchmal spielten wir bis tief in die Nacht. Manchmal sagte ich dann,Mutter, Du schläfst schon. Und sie antwortete, ja, aber das Spiel machen wir noch zu Ende. Wer ist dran? - Du, Mutter. - Ach so.
Ihr Traum, sich vormittags um die Erledigungen zu kümmern und nachmittags bei einem Glas Rotwein stundenlang nur zu lesen, erfüllte sich nie. Dazu reiste sie zu gerne, war zu umtriebig, besuchte Freunde, Lesungen, Ausstellungen, Aufführungen in Theatern und ihrer geliebten Komischen Oper oder kümmerte sich um ihre Enkel. Und dann war sie dazu zu müde und später zu kraftlos, ihr fehlte die Konzentration zum Lesen und zum Genuss am Lesen.
Aber gelacht, geistreiche Witze gemacht und Geschichten erzählt hat sie bis zum Schluss - und die schönen Momente genossen und die Kleinigkeiten, die andere oft kaum bemerkt haben.
Meine Mutter war eine wundervolle, gutherzige, großzügige, liebende und lebenslustige, eine ganz besondere Frau.
Sie ist in meinem Herzen. Und doch vermisse ich sie so sehr.
Sie liebte den kleinen Prinzen. Ich habe ihn mehrmals bei Lesungen vorgetragen und sie war immer dabei. Wenn ich am Ende an die folgende Stelle kam, musste ich oft mit den Tränen ringen, wie auch jetzt, in Gedanken an sie:
"Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust, wird es dir sein, als lachten alle Sterne, weil ich auf einem von ihnen wohne, weil ich auf einem von ihnen lache. Du allein wirst Sterne haben, die lachen können."
Ich bin mir sicher, dass sie irgendwo lacht.
Am 09.04.2022 ist ihr Mann, mein Vater verstorben. Es wäre schön, wenn sie endlich wieder zusammen lachen könnten.