Er war "Käptn Suurbier". Sein Verhalten verbuchte man unter "Punk"
Nachruf auf Michael Wahler (Geb. 1962)
Fußball oder Rock ’n’ Roll – Romantiker einer bestimmten Sorte halten das für die einzigen Wege, um rauszukommen aus Enge und Beklemmung. Michael Wahler war so einer. Frust und Ängste muss man wegballern, fand er.
Ein guter Fußballer war er und ein hübscher Junge. Drahtig, wendig, schnell. Sein Vater, der „Herr Doktor“, hatte eine erfolgreiche Firma für Fahrzeugbau, die Familie lebte nobel in Frohnau, gleich um die Ecke von Reinhard Mey, den Micha verehrte. Micha machte Abitur, an Geld fehlte es nie. An etwas anderem vielleicht. Wärme? Liebe? Anerkennung?
Der „Herr Doktor“ war ein jähzorniger Patriarch, der allerdings Rilke und Mörike schätzte, in ruhigen Momenten selber Gedichte schrieb. Um das Fortkommen seiner Söhne sorgte er sich auf seine strenge, unerbittliche Weise. Er hätte sie gern zu seinen Nachfolgern gemacht. Aber sie waren mehr dem Künstlerischen zugeneigt. Nachdem Mutter Wahler vor dem gewalttätigen Mann aus dem Haus geflohen war, bezog Micha oft doppelt Prügel: für den kleinen Bruder, auf den er aufpassen sollte, gleich mit.
Im Fußball hätte er es weit bringen können, aber irgendwas, ein neuer Trainer, Unstimmigkeiten, niemand weiß das noch genau, kam dazwischen.
Aber es brach die Ära des Punk an, Do-it-yourself-Attitüde, neuer Aufruhr, genau das Richtige für Micha, jetzt. Er gründete eine Band und rührte vieles zusammen: Rockabilly der Fünfziger – Gene Vincent und Jerry Lee Lewis –, Beat der Sechziger – Beatles und Beach Boys –, Punk der Siebziger – Ramones und Jonathan Richman. Deutsche Texte, Spaß und Melancholie, Kalauer und Ernst, Ironie und Geradlinigkeit, Teenagerfrust und Romantik. Michas ungestümes Wesen und seine weiche Ader. Die Seelenverwandtschaft und der Konflikt mit dem Vater. Den kleinen Alltag und die große Liebe. Und ein bisschen deutsche Schlagerseligkeit. Eine Brücke von Hans Albers zu Rio Reiser. Nach einem Sketch von Otto Waalkes nannte Micha Wahler seine Band Frau Suurbier, später Die Suurbiers. Und „Käptn Suurbier“ – das war er.
Die Band wurde zum Vorläufer des deutschen „Fun Punk“, Wegbereiter für Die Ärzte, Die Toten Hosen, Die Goldenen Zitronen. Einige der später so Erfolgreichen waren zunächst selber Suurbiers: Dirk Felsenheimer alias Bela B. und Hans Runge alias Sahni, beide schwer erfolgreich mit den Ärzten, Wölli Rhode bei den Toten Hosen. Und Michael Beckmann bei den Rainbirds.
Dass der Käptn, was Erfolg, Ruhm und Reichtum anbelangte, zurückblieb, schien ihn nicht zu stören. Er freute sich über den Durchbruch der anderen und machte sich immer auch ein bisschen lustig darüber. Über die Ärzte im Lied „Wie ein Kind“. Dem Song „Grace Kelly“ der Ärzte folgten die „Suurbiers“ mit „Petra Kelly“. Aus „Blueprint“, dem Hit der Rainbirds, machte Micha mit seiner Zweit- und Spaßband Partykillers eine witzige Version mit deutschem Text: „Ich schleiche um die Ecke wie ’ne Schnecke ?“
Mit trotzigem Stolz beharrte er auf dem Amateurstatus und war doch ein überaus professioneller Songschreiber mit einer Gabe für eingängige Melodien und originelle Texte, ein energiegeladener Sänger und ein ausgezeichneter Rhythmusgitarrist. Und immer war er ein bisschen wahnhaft, irre. Ein Draufgänger, der sich von niemandem etwas gefallen ließ, und der sich dadurch eine Menge Schrammen und schwerere Verletzungen zuzog. Innere wie äußere Wunden, die gelegentlich in seinen lustig verpackten Songtexten durchklangen. Sein unberechenbares Verhalten verbuchten die Freunde unter „Punk“. Das vielleicht eine Krankheit dahintersteckte, ahnte kaum einer. Wie einst sein Vater brauste er zuweilen so sehr auf, dass er sich selbst nicht mehr zu kennen schien. Einmal hat er einen Rocker angepöbelt, der ihn daraufhin zusammenschlug. Schwer blutend und schon am Boden brüllte Micha: „Na und? Biste stärker? Dann schlag doch noch mal zu! Biste stärker? Na und?“ In solchen Situationen kannte er keine Angst. Wegen unzähliger Blessuren musste er immer wieder Tourneen der Suurbiers absagen.
Und dann war der „Käptn“ auch ein ganz anderer: SPD-Wähler, Tagesspiegel-Leser, zurückhaltend, bescheiden, ordentlich. Immer achtete er penibel darauf, dass die Suurbiers ihre Backstage-Räume nach den Konzerten aufräumten, dass sie die Garderoben so verließen, wie sie sie vorgefunden hatten. Dass sie pünktlich waren und stets im typischen Suurbier-Look erschienen: bunte Hemden, weite Bollerhosen mit dem Bund überm Nabel und breiten Hosenträgern.
Nur wenn die Gefühle zu stark wurden, die negativen wie die positiven, dann wurde alles zu viel für ihn, dann wurde er unruhig und explosiv und stand sich selbst und allen anderen im Weg. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Und wehe, wenn jemand einen seiner Freunde angriff. Einer sagt, er werde nie vergessen, wie ihm Micha bei einer Schlägerei in Kreuzberg das Leben gerettet habe.
Und wehe dem, der „Käptn Suurbiers“ Idole beleidigte. Er war mit Kumpels beim Skifahren, abends in der Disco ging er zum DJ: „Ey, spiel ma wat von Gene Vincent!“ – „Tote Sänger spielen wir hier nicht!“ Und zack, schon hatte der DJ eine sitzen. Dann: DJ-Pult kaputt, Platten kaputt, Party beendet. Und der „Käptn“ und seine Freunde auf der Flucht. Aber Gene Vincent und die Ehre des Rock ’n’ Roll waren verteidigt.
135 Songs hat er geschrieben, aber die Suurbiers veröffentlichten nur 16, mal einen auf einem Sampler mit anderen, eine Live-Kassette, eine Mini-LP. Als der „Käptn“ die Wiedervereinigung und den Währungsumtausch zwei Ostmark für eine Westmark kommentierte mit einem neuen, von den Beach Boys inspirierten Song „Zwei Boys für jedes Girl“, bekam seine Karriere wieder Aufwind. Bei der Polydor lag der Plattenvertrag bereit, eine Tournee der Suurbiers war gebucht. Aber dann, im Taumel der Gefühle, hat Micha wieder alles vergeigt: Als der damalige Polydor-Labelchef und Suurbier-Förderer, der heutige Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner, mit ein paar Minuten Verspätung zur Verabredung vor dem Record-Release-Konzert auftauchte, ging ihm Micha an die Kehle, würgte ihn und schrie: „Um acht waren wir verabredet! Nicht um zehn nach!“ Der Plattenvertrag war gestorben, die Tour wurde abgesagt. Micha Wahlers Katastrophenjahr 1991.
Es war das Jahr, in dem sich sein jüngerer Bruder das Leben nahm. Axel, auf den aufzupassen er sich immer verpflichtet gefühlt hatte, und mit dem ihn so viel verband: die Trauer um die fortgegangene Mutter, der Zusammenhalt gegen den Vater, die künstlerische Ader. Er hatte nicht gut genug auf ihn aufgepasst, dachte Micha, Schuldgefühle zernagten ihn. Er sagte: „Seit seinem Tod hab ich das Gefühl, ich lebe in einem Film, für den Axel das Drehbuch geschrieben hat!“ Und wie schrecklich es sei, wenn man seinen eigenen Gedanken nicht mehr trauen könne, wenn man nicht mehr so richtig wisse, wer man eigentlich ist.
Micha schrieb weiter Songs, machte Studioaufnahmen mit wechselnden Suurbiers, für die der Umgang mit ihm immer schwieriger wurde. Dazwischen immer wieder Klinikaufenthalte. Es ging rauf und runter. Tolle Studioaufnahmen und furiose Konzerte wechselten mit Phasen schwerer Niedergeschlagenheit. Eine „bipolare Persönlichkeitsstörung“ diagnostizierten die Ärzte, möglicherweise geerbt vom Vater. Sie gaben ihm Lithium, was ihm das Leben erträglicher machte. Wie auch der Alkohol, den er in erhöhten Dosen zu sich nahm – und der im Mix mit Lithium verheerend wirkte.
Nie hatte Micha vorher Drogen genommen. Im „Kifferlied“ hatte er sich über die Trantütigkeit der Kiffer lustig gemacht, der sportliche und drahtige Micha von einst, der inzwischen etwas aufgedunsen und behäbig wirkte. Wenn er auch bei seinen Soloauftritten immer noch eine gewaltige Energie freisetzen konnte. Fühlte er sich dann wieder gut und auf der Höhe, befeuert vom Zuspruch seiner Fans, kam er mit dem Glücksgefühl auch wieder nicht klar. Und beging den Fehler, das Lithium abzusetzen, und brachte damit wieder alles durcheinander. In seinem Kopf, in seinem Leben.
Niemand weiß, was er dachte, als er am Valentinstag, dem 14. Februar 2014, seine winzige Einzimmer-Neubauwohnung am Richard-Wagner-Platz verließ und zur U-Bahn ging. Ob der akribische Planer einen festen Entschluss gefasst hatte? Ob er vielleicht zum Arzt wollte? Wieder in die Klinik? Oder einen seiner alten Freunde besuchen? Oder ob er sich mit der festen Absicht auf den Weg gemacht hatte, vor den Zug zu springen. H. P. Daniels
Ein guter Fußballer war er und ein hübscher Junge. Drahtig, wendig, schnell. Sein Vater, der „Herr Doktor“, hatte eine erfolgreiche Firma für Fahrzeugbau, die Familie lebte nobel in Frohnau, gleich um die Ecke von Reinhard Mey, den Micha verehrte. Micha machte Abitur, an Geld fehlte es nie. An etwas anderem vielleicht. Wärme? Liebe? Anerkennung?
Der „Herr Doktor“ war ein jähzorniger Patriarch, der allerdings Rilke und Mörike schätzte, in ruhigen Momenten selber Gedichte schrieb. Um das Fortkommen seiner Söhne sorgte er sich auf seine strenge, unerbittliche Weise. Er hätte sie gern zu seinen Nachfolgern gemacht. Aber sie waren mehr dem Künstlerischen zugeneigt. Nachdem Mutter Wahler vor dem gewalttätigen Mann aus dem Haus geflohen war, bezog Micha oft doppelt Prügel: für den kleinen Bruder, auf den er aufpassen sollte, gleich mit.
Im Fußball hätte er es weit bringen können, aber irgendwas, ein neuer Trainer, Unstimmigkeiten, niemand weiß das noch genau, kam dazwischen.
Aber es brach die Ära des Punk an, Do-it-yourself-Attitüde, neuer Aufruhr, genau das Richtige für Micha, jetzt. Er gründete eine Band und rührte vieles zusammen: Rockabilly der Fünfziger – Gene Vincent und Jerry Lee Lewis –, Beat der Sechziger – Beatles und Beach Boys –, Punk der Siebziger – Ramones und Jonathan Richman. Deutsche Texte, Spaß und Melancholie, Kalauer und Ernst, Ironie und Geradlinigkeit, Teenagerfrust und Romantik. Michas ungestümes Wesen und seine weiche Ader. Die Seelenverwandtschaft und der Konflikt mit dem Vater. Den kleinen Alltag und die große Liebe. Und ein bisschen deutsche Schlagerseligkeit. Eine Brücke von Hans Albers zu Rio Reiser. Nach einem Sketch von Otto Waalkes nannte Micha Wahler seine Band Frau Suurbier, später Die Suurbiers. Und „Käptn Suurbier“ – das war er.
Die Band wurde zum Vorläufer des deutschen „Fun Punk“, Wegbereiter für Die Ärzte, Die Toten Hosen, Die Goldenen Zitronen. Einige der später so Erfolgreichen waren zunächst selber Suurbiers: Dirk Felsenheimer alias Bela B. und Hans Runge alias Sahni, beide schwer erfolgreich mit den Ärzten, Wölli Rhode bei den Toten Hosen. Und Michael Beckmann bei den Rainbirds.
Dass der Käptn, was Erfolg, Ruhm und Reichtum anbelangte, zurückblieb, schien ihn nicht zu stören. Er freute sich über den Durchbruch der anderen und machte sich immer auch ein bisschen lustig darüber. Über die Ärzte im Lied „Wie ein Kind“. Dem Song „Grace Kelly“ der Ärzte folgten die „Suurbiers“ mit „Petra Kelly“. Aus „Blueprint“, dem Hit der Rainbirds, machte Micha mit seiner Zweit- und Spaßband Partykillers eine witzige Version mit deutschem Text: „Ich schleiche um die Ecke wie ’ne Schnecke ?“
Mit trotzigem Stolz beharrte er auf dem Amateurstatus und war doch ein überaus professioneller Songschreiber mit einer Gabe für eingängige Melodien und originelle Texte, ein energiegeladener Sänger und ein ausgezeichneter Rhythmusgitarrist. Und immer war er ein bisschen wahnhaft, irre. Ein Draufgänger, der sich von niemandem etwas gefallen ließ, und der sich dadurch eine Menge Schrammen und schwerere Verletzungen zuzog. Innere wie äußere Wunden, die gelegentlich in seinen lustig verpackten Songtexten durchklangen. Sein unberechenbares Verhalten verbuchten die Freunde unter „Punk“. Das vielleicht eine Krankheit dahintersteckte, ahnte kaum einer. Wie einst sein Vater brauste er zuweilen so sehr auf, dass er sich selbst nicht mehr zu kennen schien. Einmal hat er einen Rocker angepöbelt, der ihn daraufhin zusammenschlug. Schwer blutend und schon am Boden brüllte Micha: „Na und? Biste stärker? Dann schlag doch noch mal zu! Biste stärker? Na und?“ In solchen Situationen kannte er keine Angst. Wegen unzähliger Blessuren musste er immer wieder Tourneen der Suurbiers absagen.
Und dann war der „Käptn“ auch ein ganz anderer: SPD-Wähler, Tagesspiegel-Leser, zurückhaltend, bescheiden, ordentlich. Immer achtete er penibel darauf, dass die Suurbiers ihre Backstage-Räume nach den Konzerten aufräumten, dass sie die Garderoben so verließen, wie sie sie vorgefunden hatten. Dass sie pünktlich waren und stets im typischen Suurbier-Look erschienen: bunte Hemden, weite Bollerhosen mit dem Bund überm Nabel und breiten Hosenträgern.
Nur wenn die Gefühle zu stark wurden, die negativen wie die positiven, dann wurde alles zu viel für ihn, dann wurde er unruhig und explosiv und stand sich selbst und allen anderen im Weg. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Und wehe, wenn jemand einen seiner Freunde angriff. Einer sagt, er werde nie vergessen, wie ihm Micha bei einer Schlägerei in Kreuzberg das Leben gerettet habe.
Und wehe dem, der „Käptn Suurbiers“ Idole beleidigte. Er war mit Kumpels beim Skifahren, abends in der Disco ging er zum DJ: „Ey, spiel ma wat von Gene Vincent!“ – „Tote Sänger spielen wir hier nicht!“ Und zack, schon hatte der DJ eine sitzen. Dann: DJ-Pult kaputt, Platten kaputt, Party beendet. Und der „Käptn“ und seine Freunde auf der Flucht. Aber Gene Vincent und die Ehre des Rock ’n’ Roll waren verteidigt.
135 Songs hat er geschrieben, aber die Suurbiers veröffentlichten nur 16, mal einen auf einem Sampler mit anderen, eine Live-Kassette, eine Mini-LP. Als der „Käptn“ die Wiedervereinigung und den Währungsumtausch zwei Ostmark für eine Westmark kommentierte mit einem neuen, von den Beach Boys inspirierten Song „Zwei Boys für jedes Girl“, bekam seine Karriere wieder Aufwind. Bei der Polydor lag der Plattenvertrag bereit, eine Tournee der Suurbiers war gebucht. Aber dann, im Taumel der Gefühle, hat Micha wieder alles vergeigt: Als der damalige Polydor-Labelchef und Suurbier-Förderer, der heutige Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner, mit ein paar Minuten Verspätung zur Verabredung vor dem Record-Release-Konzert auftauchte, ging ihm Micha an die Kehle, würgte ihn und schrie: „Um acht waren wir verabredet! Nicht um zehn nach!“ Der Plattenvertrag war gestorben, die Tour wurde abgesagt. Micha Wahlers Katastrophenjahr 1991.
Es war das Jahr, in dem sich sein jüngerer Bruder das Leben nahm. Axel, auf den aufzupassen er sich immer verpflichtet gefühlt hatte, und mit dem ihn so viel verband: die Trauer um die fortgegangene Mutter, der Zusammenhalt gegen den Vater, die künstlerische Ader. Er hatte nicht gut genug auf ihn aufgepasst, dachte Micha, Schuldgefühle zernagten ihn. Er sagte: „Seit seinem Tod hab ich das Gefühl, ich lebe in einem Film, für den Axel das Drehbuch geschrieben hat!“ Und wie schrecklich es sei, wenn man seinen eigenen Gedanken nicht mehr trauen könne, wenn man nicht mehr so richtig wisse, wer man eigentlich ist.
Micha schrieb weiter Songs, machte Studioaufnahmen mit wechselnden Suurbiers, für die der Umgang mit ihm immer schwieriger wurde. Dazwischen immer wieder Klinikaufenthalte. Es ging rauf und runter. Tolle Studioaufnahmen und furiose Konzerte wechselten mit Phasen schwerer Niedergeschlagenheit. Eine „bipolare Persönlichkeitsstörung“ diagnostizierten die Ärzte, möglicherweise geerbt vom Vater. Sie gaben ihm Lithium, was ihm das Leben erträglicher machte. Wie auch der Alkohol, den er in erhöhten Dosen zu sich nahm – und der im Mix mit Lithium verheerend wirkte.
Nie hatte Micha vorher Drogen genommen. Im „Kifferlied“ hatte er sich über die Trantütigkeit der Kiffer lustig gemacht, der sportliche und drahtige Micha von einst, der inzwischen etwas aufgedunsen und behäbig wirkte. Wenn er auch bei seinen Soloauftritten immer noch eine gewaltige Energie freisetzen konnte. Fühlte er sich dann wieder gut und auf der Höhe, befeuert vom Zuspruch seiner Fans, kam er mit dem Glücksgefühl auch wieder nicht klar. Und beging den Fehler, das Lithium abzusetzen, und brachte damit wieder alles durcheinander. In seinem Kopf, in seinem Leben.
Niemand weiß, was er dachte, als er am Valentinstag, dem 14. Februar 2014, seine winzige Einzimmer-Neubauwohnung am Richard-Wagner-Platz verließ und zur U-Bahn ging. Ob der akribische Planer einen festen Entschluss gefasst hatte? Ob er vielleicht zum Arzt wollte? Wieder in die Klinik? Oder einen seiner alten Freunde besuchen? Oder ob er sich mit der festen Absicht auf den Weg gemacht hatte, vor den Zug zu springen. H. P. Daniels