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Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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Jede Frage konnte er beantworten, nur die eine nicht: Wozu das alles?

Nachruf auf Peter Dominik (Geb. 1963)
Der große Affe Angst. King Kong auf der Spitze des Empire State Building. In seinen Händen die weiße Frau. Gleich donnern die schießwütigen Doppeldecker heran. Ein letzter Blick in die untergehende Sonne. Lässt er dich los, der Affe Angst, oder lässt er dich fallen? King Kong war Peter Dominiks Lieblingsfilm. Weil er ein wenig verliebt war in Naomi Watts. Und weil er in den Augen Kongs jene Verlorenheit sah, die ihn selbst immer wieder ins Nichts fallen ließ.
So ein Höllensturz in die Depression lässt sich anderen schwer vermitteln. „Stell dich nicht so an, jeder ist mal schlecht drauf, wird schon wieder. Eigentlich geht es dir doch verdammt gut!“ Es war ja auch alles normal, viel zu normal. Ein hübsches Kind, das an Pseudo-Krupp litt, und in den ersten Lebensmonaten auf Anweisung der Ärzte immer wieder allein in die Klinik gegeben wurde. Unbehütet erst, dann überbehütet, so erklärte er seine Ängste später. Er war das Nesthäkchen, gehänselt und geliebt von den zwei Brüdern und der großen Schwester. Die Mutter stets in Sorge um ihn, der Vater ehrgeizig für ihn, vielleicht zu ehrgeizig. Aber das sind viele Väter. Und er war ja auch ein sehr guter Schüler.
Warum wurde er im Studium plötzlich so mutlos? Er war klug, er war findig, hatte ein klares Ziel vor Augen: ein herausragender Agrarbiologe und Bodenkundler zu werden. Das Talent hatte er. Aber er konnte sich nur schwer in feste Zeitabläufe einfügen. So hangelte er sich nach dem Studium von Zeitvertrag zu Zeitvertrag, bis es irgendwann im Institut keinen Platz mehr für ihn gab.
Das war demütigend. Aber er fühlte sich auch persönlich verletzt, als die Russen die Krim okkupierten. Er schrieb einen Brief an den russischen Botschafter, in dem er mit Sanktionen drohte. Ein fataler Gerechtigkeitssinn, der schon Michael Kohlhaas zu Fall gebracht hat.
Wie viele Teelichter braucht es, um bei einem Heizungsausfall das Zimmer warm zu halten? Für Peter eine leichte Frage. Er zog seinen Palm heraus, Organizer und digitaler Lebensbegleiter in einem, und rechnete es aus. Jede Frage konnte er beantworten, belesen wie er war, nur die eine nicht: Wozu das alles?
Sein Lieblingsbuch: Chronik eines angekündigten Todes. Sein Lieblingsfilm zuletzt: „Quellen des Lebens“. Lieblingstier: Elefant. Lieblingsplatte: „Dark Side of the Moon“. Was würdest du dich gerne trauen: Die Frage ließ er offen. Dachte er bei diesem Partyquiz schon an die Selbsttötung? Kein Mensch kann einen Lebensmüden gegen seinen Willen zum Durchhalten bewegen.
Therapiestunde bei King Kong: Die weiße Frau führt vor dem Affen eine Reihe von Varietékunststückchen auf, um seine Schwermut zu verscheuchen. Nicht wirklich zum Lachen. Denn Hampelmänner sind wir alle, wenn uns die Traurigkeit anfliegt aus dem Nichts, und wir tanzen, und wir trinken, und wir singen, und wenn wir Glück haben, werden wir sie los. Und wenn wir Pech haben, sitzen wir da, und wissen nicht ein noch aus.
Als bei Freunden der Eltern ein Weihnachtsbaum abbrannte, bastelte er ihnen einen kleinen Feuerlöscher aus Holz, der seither bei ihnen an jedem neuen Weihnachtsbaum hängt. Ob er hilft, dieser Abwehrzauber?
Es gab Mittel gegen die Angst, dazu zählten auch die Weihnachtsplätzchen, die er in den Adventstagen großzügig verteilte, dazu zählte sein Pflaumenmus, vermutlich das Beste der Welt, und natürlich die Medikamente, die er mal nahm, mal nicht nahm. Der schwarze Vogel fliegt, wie er will. Seine Geschwister wussten, er hatte die Möglichkeiten es zu tun, er konnte sich das Gift besorgen, es genau dosieren. Er war klug, vielleicht auch klug genug für diese letzte Entscheidung. Denn es war bis dahin ein gutes Leben gewesen. Er liebte es, unterwegs zu sein. Er war ein prima Onkel, kein Besserwisser, sondern kindischer zuweilen als die Kinder. Er wollte nicht gern erwachsen werden. Denn Erwachsene müssen immer so stark sein.
Das Leben kostet Kraft, wie viel Kraft, fällt meist erst auf, wenn sie fehlt. Woher nehmen? Der große Affe Angst. Stürz dich mit mir in die Tiefe, das ist die einzige Chance, mich zu besiegen, flüstert die Stimme in deinem Innern, der du nie, niemals glauben darfst. Denn sie will nur eins: dein Ende. Gregor Eisenhauer