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Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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„Dann nimm mich doch mit“

Nachruf auf Thea Masloke (Geb. 1924)
Alle sagen, dass Thea Masloke ein besonderer Mensch war. Doch wie beschreibt man diese Besonderheit, wenn das herausragende Merkmal nicht in einer weltbewegenden Arbeit liegt oder einer großartigen Erfindung? Wenn das Besondere nicht in großen Taten, sondern viel mehr darin bestand, wie Thea Masloke einfach war?
Vielleicht beginnen wir mit ihrer Körperhaltung. Die ist allen gleich aufgefallen. Kerzengerade hat sie sich gehalten. Rücken, Schultern, Kopf: eine Linie. Und groß war sie. Die Fingernägel vorbildlich, die Frisur perfekt, sogar die Augenbrauen hat sie sich tätowieren lassen, dazu einen feinen Kaschmirpullover, schöne Mäntel, Ketten und Ringe.
Thea war Eleganz. Aber Thea war auch eitel. Ja, das kann man sagen. Konsequent hat sie sich um 10 bis 15 Jahre jünger gemacht. Und wehe, jemand hat sie auf ihr wahres Alter angesprochen. Da konnte sie richtig grantig werden. Selbst als sie die Bundesverdienstmedaille für ihr Ehrenamt bei der Berliner Aidshilfe bekam, sagte sie allen, der Senatorin, den Journalisten, dass sie erst 72 sei und nicht schon 83. Das stand dann auch so in der Zeitung.
Man merkte ihr das aber auch nicht an. Mit einer sagenhaften Energie verabredete sie sich mit Freunden, reiste mit ihnen in die Welt oder ging Kaffee trinken. Thea war einfach immer in Bewegung, zwei, drei Termine am Tag. Die brauchte sie, um sich am Leben zu fühlen.
1996 starb ihr geliebter Horst. Der Mann, mit dem sie 40 Jahre verheiratet war, mit dem sie abends händchenhaltend Bücher gelesen hatte, mit dem sie in die Oper ging. Nur Mozart und Wagner nicht, der eine zu süßlich, den anderen mochte sie charakterlich nicht. Horst, der für sie kochte, sie in der Gegend herumkutschierte, sie auf den Händen trug. Den sie bis zum Schluss pflegte. Als Horst starb, war Thea alleine. Musste sich neu sortieren und fand die Berliner Aidshilfe. Seitdem sind 20 Jahre vergangen. 20 Jahre, in denen sie zweimal die Woche das Frühstücksbuffet vorbereitete und mit den Gästen redete. Lebendig machte sie das, von ihnen erfahren, mit ihnen sein, ihnen zuzuhören. Sie war ja auch eine, der man gerne von sich erzählte, von seinen Ängsten und Gefühlen. Schnell war das Persönlichste, das Intimste auf dem Tisch.
Je mehr Menschen, umso besser, denn Thea war eine Menschensammlerin. Traf sie jemanden, für den sie sich interessierte, lud sie sich einfach selber ein. Klingelte an der Tür und fragte: „Hallo, kann ich dich buchen?“ Wenn man aber keine Zeit hatte, weil man vielleicht selber schon verabredet war, sagte sie einfach: „Dann nimm mich doch mit.“
Ob das Gegenüber nun kultiviert war oder aus der Gosse, gut situiert oder bettelarm, gesund oder sterbenskrank, mit sich im Reinen oder suchtabhängig, ihr war das nicht wichtig. Wichtig war ihr allein der Mensch. Sie scannte sogar Freizeit-Kontaktanzeigen in Zeitungen, schrieb Briefe an Unbekannte und verabredete sich. So entstand ein Kreis von Freunden, der blieb und ein Kreis von Menschen, die ständig wechselten.
„Und merken konnte sie sich einfach alles. Gedichte, Lieder, Abfahrtzeiten der Bahnen, Opernprogramme, Schauspielernamen. Schon in ihren Grundschulzeugnissen stand, dass sie ein phänomenales Gedächtnis hatte“, erzählen ihre beiden Freundinnen. Die eine hatte Thea in der Aidshilfe kennengelernt, die andere in der Nachbarschaft. Sie waren es auch, die Thea durch ihre Krankheit begleiteten. Mit ihr hofften, dass sie den Krebs und die Leukämie überstehen würde und doch noch 100 würde.
Sie sind es dann auch, die sie ein letztes Mal im Krankenhaus besuchen, die dann im leeren Krankenzimmer stehen, „Ja, die Frau Masloke ist Weihnachten verstorben“, die sich um die Beerdigung und alles kümmerten, was da anfällt.
„Für Thea machen wir das gerne“, sagen sie, „denn Thea war ein besonderer Mensch.“ Karl Grünberg